In 2013 feiert der Tierpark Arche Warder e.V., das europaweit einzigartige Zentrum für seltene und vom Aussterben bedrohte Haus- und Nutztierrassen, sein 10 jähriges Bestehen.
10 Jahre zuvor dagegen sah die Zukunft des Tierparks äußerst düster aus. Nachdem der ursprüngliche Projektbetreiber die aufgelaufenen Verluste des Betriebes nicht mehr schultern konnte, musste der Tierpark Insolvenz anmelden. Im Verlaufe des Insolvenzverfahrens und der Bemühungen um einen Investor durch den von Gunnar Bauermeister und Thomas Foth gegründeten Trägerverein des Tierparks, meldeten sich Greenpeace e.V. und die Umweltstiftung Greenpeace und unterbreiteten ein Übernahmeangebot, um dieses einzigartige Projekt zu retten.
Dazu wurde ein neuer Verein „Arche Warder – Zentrum für alte Haus- und Nutztierrassen e.V.“ im Jahre 2003 gegründet und entsprechend finanziell ausgestattet.
Die zentrale Aufgabe dieses Vereins ist die Erhaltung seltener Nutztierrassen. Diese wertvollen Rassen sind Teil unseres kulturhistorischen Gedächtnisses und für die Weiterentwicklung einer naturnahen Landwirtschaft unerlässlich.
Aller Anfang ist schwer
Der erste Direktor Heinz Laing und sein Team schufen das Fundament für den heutigen Tierpark. Anfänglich mussten Zäune, Wege, Ställe sowie Gebäude umgebaut, aufgeräumt und erneuert werden. Insgesamt wurden u. a. 15 km Weidezäune und über 8 km Drahtzäune gezogen sowie 5.000 Eichenpfähle verbaut und über 200 gestiftete Bäume gepflanzt. Einige Tiere mussten während der Renovierungsarbeiten zunächst in Außenställen benachbarter Landwirte untergebracht werden.
Um den damals gesundheitlich angeschlagenen Tierbestand kontinuierlich zu verbessern, wurden u. a. sämtliche Futtermittel gegen qualitativ hochwertigere ausgetauscht. Im gleichen Zuge wurden Außenflächen gepachtet, um einerseits eigene Futtermittel anzubauen und um andererseits ausgewählte Tiere außerhalb des Tierparks unterzubringen, damit eine Übernutzung der Parkflächen vermieden wird.
Nach diesen ersten Renovierungsarbeiten konnte schließlich im Mai 2004 der Tierpark seine Neueröffnung feiern. Mit einer Tierkarawane durch den Park begann die Feier mit 4.000 Besuchern. Anlässlich dieser Feier schenkte die Umweltstiftung Greenpeace dem Tierpark zwei trächtige Stuten „Volina und Heide“ der seltenen Pferderasse Alt-Oldenburger. Seither trägt die Zucht im Tierpark zum Erhalt dieser wertvollen Rasse bei.
Das Konzept
2007 entstand mit dem neuen Direktor Professor Dr. Dr. Kai Frölich, Tierarzt und Biologe, mit einschlägiger Erfahrung im Zoobetrieb, ein modernes Zoomanagement sowie ein erneuertes Konzept mit 5 zentralen Zielen:
- Schutz durch professionelle Erhaltungszucht
- Schutz durch Satellitenstationen (Außenflächen)
- Schutz durch anspruchsvolle Bildungsangebote
- Schutz durch Vernetzung mit gleichgerichteten, nationalen und internationalen Institutionen
- Schutz durch Erforschung physiologischer Besonderheiten der alten Rassen
Viel Arbeit wurde zunächst in die optimierte tierärztliche Versorgung des Tierbestandes investiert. Somit konnten bereits im ersten Jahr etwa 60% der externen Tierarztkosten reduziert werden. Dazu war es notwendig, sowohl eine Quarantänestation als auch eine Apotheke einzurichten.
Auch auf Verwaltungsebene wurde ein detaillierter Plan für alle Arbeitsbereiche eingeführt. Unter anderem wurden die Patenschaftsverwaltung als auch das Finanzstrukturwesen neustrukturiert sowie sämtliche alten Akten der Vorjahre systematisch aufgearbeitet.
Die Arbeit dieses Umbruchjahres 2007 zeigte schnell Früchte: So stiegen die Besucherzahlen um 32 % gegenüber 2006 und auch die Umsatzzahlen des Restaurants sowie des Hofladens waren mit rund 42 % Steigerung wesentlich höher als im Vorjahr. Auch das Patenschaftsprogramm entwickelte sich schnell zu einer umsatzstarken Finanzsäule.
55 Bauprojekte
Die Jahre ab 2007 waren zudem geprägt durch umfassende Umbau- und Wiederherstellungsarbeiten sowie zahlreiche Umstrukturierungsmaßnahmen in allen Bereichen des Tierparks. Ein erweitertes, tatkräftiges Team setzte diese Neustrukturierung um: Das Restaurant wurde völlig neu gestaltet, der Hofladen und die Büros renoviert. Das Restaurant wurde 2007 als „Bestes Restaurant einer Freizeiteinrichtung“ prämiert und lockt mit hochwertigen Speisen. Im Hofladen gibt es Produkte der Arche Warder und aus der Region.
Weitere umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten folgten: wie die Renovierung des Schauhauses (z.B. Umgestaltung der einzelnen Boxen, so dass auch Kinder und Menschen mit Behinderungen in die Boxen schauen können sowie Installierung einer Solaranlage auf dem Dach), die Erneuerung der Zäune und die Renaturierung des Baches, der das Zoogelände durchfließt. Um eine noch artgerechtere Haltung zu sichern, wurden ein neuer Volierenkomplex, eine großzügige Gänseanlage mit mehreren Teichen sowie eine Entenanlage neu konzipiert. Besonders arbeitsintensiv war die Neugestaltung Europas größter Freianlage für Schweine in einer zoologischen Einrichtung.
Neben der artgerechten Haltung spielten dabei auch ästhetische Aspekte für das Besucherauge eine wichtige Rolle. Gänse und Enten haben nun einen Bach und einen Teich zum Schwimmen. Sie hatten vorher nur eine kleine Wanne, in der sie abwechselnd baden konnten. Die Schweine freuen sich nun über Badeteiche, Suhlflächen und unterirdische Schutzhütten. Die neuen Hühnervolieren sind groß, luftig, hell und bieten sicheren Schutz vor dem Fuchs. Abwechselnd können die Gruppen sogar außerhalb der Gehege in einem abgezäunten Bereich um die Volieren picken und scharren.
Im Auftrag der Umweltstiftung Greenpeace entsteht seit dem Jahre 2008 die „Allee der Stifter“ durch das Bergwaldprojekt. Jährlich wird für jeden neuen Stifter ein weiterer Baum gepflanzt. So spenden bereits mehr als 200 Bäume Schatten für Mensch und Tier.
Ferner wurden Übernachtungshütten für Familien und Schulklassen und schließlich eine Ferienwohnung im Landhausstil neugestaltet. Zudem wurde das Streichelgehege erheblich vergrößert und auch der Spielplatz erneuert sowie um die bei den Kindern sehr beliebte Spiel-Arche ergänzt. Eine neue ästhetische und informative Tierparkbeschilderung und Sprachboxen zu einigen ausgewählten Tieren wurden im Rahmen der Neukonzipierung der Pädagogik installiert. Generell bietet der Tierpark als lebendes Museum eine Vielzahl von anspruchsvollen „Bildungsangeboten“.
In 4-jähriger Bauzeit wurde darüber hinaus in Zusammenarbeit mit dem Institut für Archäologie der Universität Hamburg eine jungsteinzeitliche Siedlung mit mehreren Häusern und Tierpferchen sowie einem Vorratsspeicher und einem Aussichtsturm geschaffen. Dabei werden die geschichtlichen Zusammenhänge zwischen der Domestikation der Nutztiere und der Entwicklungsgeschichte des Menschen anschaulich dargestellt. Des Weiteren sind eine großzügige Aussichtsplattform sowie ein Steg zur Schließung des Parkrundgangs entstanden. Bis Anfang 2013 wurden insgesamt 55 Einzelbauprojekte umgesetzt.
Das Arche-Prinzip
Die Arche ist ein ausgeklügelter Park, in dem den Bedürfnissen von Natur, Tieren und Menschen Rechnung getragen wird. Die Tierzucht wurde mittels eines neuen, 5 Jahre umfassenden Zuchtplans professionalisiert. So konnten Tiere wie z.B. Turopolje- Schweine, Poitou-Esel, Englische Parkrinder, Posavina Pferde, Fjäll Rinder, Angler Sattelschweine, Rotkopfschafe, Ungarische Lockengänse, Houtlandschafe und Deutsche Sperber für die Zucht neu hinzu gewonnen werden. Die Bestände aller dieser Rassen sind in ihrem Ursprungsgebiet hochgradig gefährdet. Ferner wurde der Kontakt zu diversen Zuchtverbänden geknüpft.
Seit 2007 besteht auch reger Austausch mit internationalen Institutionen wie der „Sicherung der landwirtschaftlichen Arten Vielfalt in Europa Organisation“ (SAVE). Als Mitglied bei Neuland steht auch die Arche Warder für tiergerechte Haltung und Tierschutz in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung. Mittlerweile konnte die Anzahl der Satellitenstationen auf 20 gesteigert werden.
Auf diese Weise kann man die Individuenzahl der einzelnen Rassen erheblich erhöhen und somit die genetische Vielfalt erweitern. Außerdem dient dies als Vorsichtsmaßnahme für den Fall eines Seuchenzuges.
„Highlights“ der vergangenen Jahre waren u. a. das Mitwirken von Jakobschafen und Englischen Parkindern bei der Verfilmung des Buches „Die Päpstin“ und der Teilnahme von Riesenbrahmas, Steinschafen und einem Hinterwälder Rind bei den Karl-May Festspielen in Bad Segeberg. Außerdem wurden im Laufe des Jahres phantasievolle Veranstaltungen etabliert, wie z. B. Mittelalter- und Steinzeit-Live, Halloween, Natural Horsemanship, Wilder Westen, Pferde- und Schweinetage, Viehauktion bis hin zum Weihnachtsgottesdienst im Stall. Jährlich ist die Arche Warder auf der “Internationalen Grünen Woche“ in Berlin, im Jahr 2013 erstmalig auch in der Schleswig-Holstein-Halle vertreten und konnte hier auf die seltenen Nutztierrassen aufmerksam machen.
Nicht zu vergessen…
Nicht nur die politische Positionierung, sondern vor allem die wissenschaftliche Arbeit wurde in diesen vergangenen sechs Jahren vorangetrieben. Von Anfang an unterstützte ein wissenschaftlicher Beirat, ein Kreis von hochkompetenten Wissenschaftlern aus verschiedenen Universitäten, die Aufbauarbeiten und berät die Arche Warder in spezifischen Fragen der Züchtung, Haltung und Forschung. Dieser Beirat tagt einmal jährlich. Es wurden bis jetzt 14 Forschungsprojekte in Kooperation mit verschiedenen Institutionen und Universitäten aus ganz Deutschland bearbeitet, die sich mit den physiologischen Besonderheiten der alten Rassen beschäftigen. Vier bereits abgeschlossene Untersuchungen konnten in anerkannten, internationalen Fachzeitschriften, wie z.B. „Animal Genetics“, veröffentlicht werden.
Darüber hinaus konnten eine Bachelorarbeit, drei Masterarbeiten sowie eine Diplomarbeit und eine Dissertation erfolgreich beendet werden. Im Rahmen von drei internationalen Kongressen wurden außerdem Forschungsprojekte vorgestellt.
In Zusammenarbeit mit dem Cadmos Verlag erschien 2010 das Buch „Alte Nutztierrassen – Selten und schützenswert“, welches gleichzeitig als Tierparkführer dient. Die überarbeitete Neuauflage wird 2014 erscheinen. Langfristig soll die Umsetzung eines „Europäischen Wissenszentrums für Haustiere“ realisiert werden. Ein umfangreiches Konzept für diese Bildungseinrichtung ist bereits abgefasst. Derzeit wird an Finanzierungsmöglichkeiten gearbeitet. Weitere zukünftige Verbesserungen beziehen sich auf die Optimierung des Erhaltungszuchtprogramms sowie der Parkgesamtstruktur.